Gusseisernes Zollschild
Das Deutsche Zollmuseum besitzt an die 400 verschiedenste Schilder, von denen nur ein Bruchteil in den Ausstellungsräumen zu sehen ist - nämlich die ältesten, spektakulärsten und schönsten.
Nehmen wir zum Beispiel einen dieser stummen Zeitzeugen, der an der Museumswand im Obergeschoß neben der Preußischen Amtsstube hängt und besonders bei älteren Besuchern Aufsehen erregt.
"Schau mal, das ist aus Afrika, lies mal vor!", sagt laut ein grauhaariger Herr zu einem kleinen Jungen, wahrscheinlich seinem Enkel. Und der liest stockend: "Kaiserliche Zollabfertigungstelle Windhuk." "Dieses Schild stammt aus einer deutschen Kolonie", erklärt der ältere Besucher seinem Enkel. "Windhuk war früher die größte Stadt von Deutsch-Südwestafrika, heute ist es die Hauptstadt von Namibia..."
Mehr Gesprächsfetzen sind im allgemeinen Stimmengewirr der Museumsbesucher nicht zu hören.
Tatsächlich ist das erwähnte Exponat ein imposantes Exemplar. Um die in schwarz-weiß-roten Farben gehaltene Reichsadler-Abbildung mit Kaiserlicher Krone rankt sich auf weißem Untergrund die bereits zitierte Beschriftung "Kaiserliche Zollabfertigungstelle Windhuk". Das Schild ist 3 Zentimeter dick, 75 Zentimeter hoch und 60 Zentimeter breit, aus Gusseisen gefertigt und wiegt rund 20 Kilogramm.
Der belauschte ältere Museumsbesucher hat seinem Enkelsohn dann wahrscheinlich einen kleinen Geschichtsvortrag gehalten, hat ihm erzählt, dass die deutsche Reichsregierung riesige Ländereien mitsamt Windhuk und der sogenannten Lüderitzbucht im Jahre 1884 zum deutschen Schutzgebiet erklärte und es Deutsch-Südwestafrika benannte. Die ersten deutschen Siedler kamen 1893 ins Land, und der allmähliche wirtschaftliche Aufschwung erforderte schließlich die Einrichtung einer Zolldirektion in Windhuk, der verschiedene Hauptzollämter unterstellt waren. Schutztruppen wurden vom Deutschen Reich in die Kolonie entsandt, die besonders gegen die aufständische schwarze Bevölkerung und mit deren Niederwerfung (1903-1907) in blutige Kämpfe verwickelt waren. Der Erste Weltkrieg endete in Südwestafrika mit der Kapitulation der deutschen Schutztruppen 1915.
Das Land erlebte danach unruhige Zeiten, bis es schließlich 1968 von der UN-Vollversammlung den Namen Namibia erhielt und nach vielen politischen Turbulenzen und Verhandlungen endlich 1990 als letztes afrikanisches Land seine Unabhängigkeit erlangte.
Wie aber kam das gusseiserne Zollschild, gefertigt in alten deutschen Kolonialzeiten, aus dem afrikanischen Windhuk nach Hamburg ins Museum?
Ein aufmerksamer Kollege entdeckte 1989 in einem Antiquariat in Windhuk den Nachguss des 1893 gefertigten Amtschildes. Dank des Einsatzes von anderen wachsamen, interessierten Beamten wurde das Schild auf Rechnung der ehemaligen Oberfinanzdirektion Hamburg für damals 265 DM gekauft und per Schiff nach Hamburg verfrachtet.
Die ein wenig ramponierte Replik wurde von einem Mitarbeiter des Deutschen Zollmuseums aufgearbeitet. Seit der Museumseröffnung am 21. Mai 1992 kann die "Kaiserliche Zollabfertigungstelle Windhuk" bewundert werden.