Lohnanspruch bei Arbeitnehmerüberlassung
Im Falle von Arbeitnehmerüberlassung kommen je nach Fallgestaltung unterschiedliche Grundlagen für einen Anspruch auf den Lohn bzw. Mindestlohn in Betracht.
Allgemeiner Mindestlohn nach dem Mindestlohngesetz (MiLoG)
Nach § 1 Abs. 1 MiLoG hat jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer grundsätzlich Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgelts in Höhe des Mindestlohnes durch den Arbeitgeber. Dies gilt auch für Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer, die von ihrem Arbeitgeber (Verleiher), unabhängig davon, ob dieser seinen Sitz im Inland oder im Ausland hat, an einen Entleiher zur Arbeitsleistung in Deutschland überlassen werden.
Equal Pay und Abweichungstarifverträge
Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) haben Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an einen Entleiher grundsätzlich Anspruch auf das Arbeitsentgelt, das der Entleiher einer vergleichbaren Arbeitnehmerin oder einem vergleichbaren eigenen Arbeitnehmer zahlen muss (Grundsatz des Equal Pay). Findet auf das Arbeitsverhältnis zwischen Leiharbeitnehmerin oder Leiharbeitnehmer und Arbeitgeber (Verleiher) ein Tarifvertrag Anwendung (Abweichungstarifvertrag), so hat die Leiharbeitnehmerin und der Leiharbeitnehmer abweichend vom Grundsatz des Equal Pay Anspruch auf diesen Tariflohn. Das gilt auch dann, wenn der Tariflohn niedriger ist als der Lohn bei Anwendung des Grundsatzes des Equal Pay (§ 8 Abs. 2 AÜG). Nach § 8 Abs. 4 Satz 1 AÜG kann ein Tarifvertrag hinsichtlich des Arbeitsentgelts vom Gleichstellungsgrundsatz für die ersten neun Monate einer Überlassung an einen Entleiher und unter den in § 8 Abs. 4 Satz 2 AÜG genannten Voraussetzungen bis zu 15 Monaten abweichen.
Lohnuntergrenze nach § 3a Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG)
Mit einer aufgrund des § 3a AÜG erlassenen Verordnung über eine Lohnuntergrenze in der Arbeitnehmerüberlassung (LohnUGAÜV) werden Mindeststundenentgelte als Lohnuntergrenze in der Zeitarbeit festgesetzt.
Findet während der Verleihzeit der Equal Pay-Grundsatz Anwendung, weil kein Abweichungstarifvertrag gilt, so darf dadurch nicht die Lohnuntergrenze unterschritten werden. Die Leiharbeitnehmerin oder der Leiharbeitnehmer hat bei einer Unterschreitung der Lohnuntergrenze Anspruch auf das in der Lohnuntergrenze festgesetzte Mindeststundenentgelt (§ 8 Abs. 5 AÜG).
Dies gilt ebenso, wenn ein Abweichungstarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet. Unterschreitet der tariflich vereinbarte Lohn eine nach einer LohnUGAÜV festgesetzte Lohnuntergrenze, so hat die Leiharbeitnehmerin oder der Leiharbeitnehmer während der Verleihzeiten Anspruch auf Equal Pay (§ 8 Abs. 2 Satz 4 AÜG). Durch die Anwendung des Equal Pay-Grundsatzes darf die Lohnuntergrenze nicht unterschritten werden. Das Gleiche gilt, soweit ein Abweichungstarifvertrag zulasten der Leiharbeitnehmerin oder des Leiharbeitnehmers von einem in der LohnUGAÜV festgesetzten Fälligkeitstermin für das Mindeststundenentgelt abweicht.
Auch für verleihfreie Zeiten hat der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unabhängig von arbeits- oder tarifvertraglichen Regelungen nach § 8 Abs. 5 AÜG mindestens Anspruch auf Zahlung des als Lohnuntergrenze festgesetzten Mindeststundenentgelts.
Die 5. Verordnung über eine Lohnuntergrenze in der Arbeitnehmerüberlassung (LohnUGAÜV5) trat am 31. März 2024 außer Kraft. Bis zum Inkrafttreten der 6. Verordnung über eine Lohnuntergrenze in der Arbeitnehmerüberlassung am 1. November 2024 galt gemäß § 1 Abs. 3 MiLoG vom 1. April 2024 bis 31. Oktober 2024 der gesetzliche Mindestlohn in Höhe von 12,41 Euro. Am 1. November 2024 trat die 6. Verordnung über eine Lohnuntergrenze in der Arbeitnehmerüberlassung (LohnUGAÜV6) mit dem dort genannten Mindeststundenentgelt in Kraft.
Branchenmindestlöhne nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG)
Werden Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer mit Tätigkeiten beschäftigt, die in den Geltungsbereich einer Rechtsverordnung nach § 7, § 7a oder § 11 AEntG fallen, hat die Leiharbeitnehmerin oder der Leiharbeitnehmer einen Anspruch auf Zahlung mindestens des Branchenmindestlohns (§ 8 Abs. 3 AEntG). Soweit eine Leiharbeitnehmerin oder ein Leiharbeitnehmer mit Tätigkeiten beschäftigt wird, die in den Geltungsbereich eines nach § 3 Nr. 1 AEntG für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrages fallen, hat die Leiharbeitnehmerin oder der Leiharbeitnehmer nur dann einen Anspruch auf Zahlung des Branchenmindestlohns, wenn der Entleiher in den Anwendungsbereich des jeweiligen Tarifvertrags fällt.
Für die Ermittlung, ob die Leiharbeitnehmerin oder der Leiharbeitnehmer mit Tätigkeiten beschäftigt wird, die in den Geltungsbereich eines für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrages im Sinne des § 3 Nr. 1 AEntG oder einer Rechtsverordnung nach den §§ 7, 7a oder 11 AEntG fallen, ist die Definition bzw. die Beschreibung der Tätigkeiten in den jeweiligen Tarifverträgen oder Mindestlohnverordnungen heranzuziehen. Soweit diese keine Definitionen der branchentypischen Tätigkeiten enthalten, sind die Tarifverträge bzw. Mindestlohnverordnungen tätigkeitsbezogen auszulegen. Fällt die Tätigkeit in den Anwendungsbereich eines für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrages oder einer Mindestlohnverordnung nach dem AEntG, richtet sich die Mindestlohnverpflichtung ausschließlich nach der in dem für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag bzw. der Mindestlohnverordnung beschriebenen Tätigkeit.
Werden während einer Überlassung verschiedene Tätigkeiten ausgeübt, die dem Geltungsbereich unterschiedlicher Tarifverträge oder Mindestlohnverordnungen unterliegen, ist zur Ermittlung des Mindestlohnes das (relative) Überwiegensprinzip im Rahmen des Fälligkeitszeitraums (in der Regel der Kalendermonat) anzuwenden. Das heißt, bei unterschiedlichen Tätigkeiten ist für die gesamte Arbeitsleistung der Mindestlohn zu zahlen. der für diejenige Tätigkeit festgelegt ist, die gemessen an der Anzahl der in dem Fälligkeitszeitraum erbrachten Arbeitsstunden im Verhältnis zu den Arbeitsstunden der anderen Tätigkeiten (relativ) überwiegt.
Soweit während einer Überlassung Tätigkeiten erbracht werden, die nur teilweise dem Geltungsbereich einer Mindestlohnverordnung unterfallen, richtet sich die Frage, ob der Mindestlohn auf Grundlage der Mindestlohnverordnung zu zahlen ist, ebenfalls nach dem relativen Überwiegensprinzip. Das heißt, soweit die Leiharbeitnehmerin oder der Leiharbeitnehmer in dem Fälligkeitszeitraum überwiegend mit Tätigkeiten beschäftigt ist, die keiner Mindestlohnverordnung unterfallen, richtet sich der Lohnanspruch nicht nach § 8 Abs. 3 AEntG, da in diesem Fall keine mindestlohnpflichtige Tätigkeit im Sinne des AEntG überwiegt.
Arbeitsbedingungen nach Tarifverträgen und Rechtsverordnungen
Übersicht Branchen-Mindestlöhne
Anwendungsvorrang Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG) und Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG)
Nach § 1 Abs. 3 MiLoG gehen die Regelungen des AEntG, des AÜG und der auf ihrer Grundlage erlassenen Rechtsverordnungen dem MiLoG vor, soweit die Höhe der auf ihrer Grundlage festgesetzten Branchenmindestlöhne die Höhe des allgemeinen Mindestlohns nach § 1 MiLoG nicht unterschreitet. Gehen die Regelungen des AEntG, des AÜG und der auf ihrer Grundlage erlassenen Rechtsverordnungen dem MiLoG vor, beschränkt sich der Vorrang nicht auf die Lohnhöhe, sondern gilt auch für sämtliche Nebenpflichten.