Die angeforderten Abgaben waren nicht gesetzlich geschuldet
Rechtsgrundlage für den Erlass oder die Erstattung
Die rechtliche Grundlage für den Erlass oder die Erstattung von Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben ist hier Art. 117 Zollkodex der Europäischen Union (UZK). Sie muss im Antrag angegeben werden.
Antragsfrist
Der Erlass- bzw. Erstattungsantrag muss grundsätzlich innerhalb von drei Jahren nach der Mitteilung der betreffenden Abgaben an den Zollschuldner gestellt werden (Art. 121 Abs. 1 Buchstabe a) Zollkodex der Europäischen Union (UZK)). Nach Ablauf dieser Frist ist der Anspruch auf den Erlass oder die Erstattung verjährt und hinfällig.
Der Abgabenbetrag gilt als mitgeteilt, wenn dem Abgabenschuldner der entsprechende Bescheid zugeht. In Deutschland gilt ein mit der Post übermittelter Bescheid am 3. Tag nach der Aufgabe als zugegangen (§ 122 Abs. 2 Abgabenordnung (AO)). Elektronisch übermittelte Bescheide werden am 3. Tag nach der Absendung als bekannt gegeben angesehen (§ 122 Abs. 2a AO). Die Frist beginnt an dem Tag, der auf den Tag des Zugangs folgt.
Der Sachverhalt, der den Erlass oder die Erstattung ermöglicht
Die Erhebung von Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben durch die Zollbehörden bedarf stets einer rechtlichen Grundlage. Werden Abgaben angefordert, die nicht gesetzlich geschuldet sind, hat der Abgabenschuldner deshalb einen Anspruch auf den Erlass oder die Erstattung dieser Abgaben.
Was bedeutet "nicht gesetzlich geschuldet"?
In den Gesetzen und Verordnungen sind die Handlungen und Ereignisse, die zur Entstehung einer Abgabenschuld führen, genau festgelegt (Zollschuldentstehung). Für das tatsächliche Bestehen einer Abgabenschuld ist immer Voraussetzung, dass einer dieser festgelegten "Entstehungstatbestände" erfüllt ist.
Ebenso ist verbindlich festgelegt, wie hoch der zu entrichtende Abgabenbetrag ist. Der durch die Zollbehörden angeforderte Betrag muss genau dem gesetzlich festgelegten Betrag entsprechen.
Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben sind somit immer dann nicht gesetzlich geschuldet, wenn
- ihre Anforderung nicht mit diesen gesetzlichen Festlegungen übereinstimmt und
- die Abweichung von den gesetzlichen Festlegungen zu Lasten des Abgabenschuldners geht.
Ist der im Abgabenbescheid ausgewiesene Betrag zwar zu hoch, der Bescheid aber ansonsten zu Recht ergangen, so wird nur der Differenzbetrag zur zutreffenden Abgabenhöhe gesetzlich nicht geschuldet. Ein Anspruch auf Erlass oder Erstattung besteht dann auch nur für diesen Teilbetrag.
Welches sind die typischen Fälle, die zur Anforderung nicht gesetzlich geschuldeter Abgaben führen?
Die Ursachen einer unzutreffenden Abgabenanforderung können vielgestaltig sein.
Möglich sind beispielsweise Fehler bei der Abgabenfestsetzung. Zu den am häufigsten vorkommenden Fehlern gehören dabei
- einfache Schreib- oder Rechenfehler,
- unrichtige Warennummern,
- ein unrichtiger Zollwert oder
- die Nichtberücksichtigung möglicher Abgabenbefreiungen, z.B. nach der Zollbefreiungsverordnung oder für Rückwaren.
Solche Fehler bei der Abgabenfestsetzung sind allerdings nicht die Hauptursache für die Anforderung gesetzlich nicht geschuldeter Abgaben.
In der Praxis am häufigsten wird ein Antrag auf Erlass oder Erstattung gestellt, weil nachträglich Unterlagen vorgelegt werden können, die einen Anspruch auf eine Abgabenbegünstigung oder -befreiung begründen (z.B. Präferenznachweise):
Bei der Einfuhrabfertigung kann eine Abgabenbegünstigung oftmals nicht gewährt werden, weil die hierfür erforderlichen Nachweise zwar existieren, den abfertigenden Zollbehörden aber nicht vorliegen. Über den Erlass bzw. die Erstattung wird dem Einführer deshalb die Möglichkeit gegeben, nachträglich eine Korrektur dieser für ihn ungünstigen Abgabenfestsetzung zu erwirken. Seit 1. Mai 2016 eröffnet der Gesetzgeber diese Möglichkeit sogar, wenn die Zollschuld gemäß Art. 79 UZK entstanden ist (Art. 56 Abs. 3 UZK i.V.m. Art. 86 Abs. 6 UZK), sofern der Verstoß, durch den die Zollschuld entstanden ist, nicht auf einen Täuschungsversuch zurückzuführen ist. Davon ist immer auszugehen, wenn der Zollschuldner wissentlich falsche Angaben macht, die ursächlich für die Höhe der Abgabenfestsetzung sind.
Die nachträglich vorgelegten Unterlagen müssen sich zweifelsfrei auf die eingeführte, zu diesem Zeitpunkt oftmals nicht mehr körperlich prüfbare Ware beziehen. Anderenfalls kann dem Erlass- bzw. Erstattungsantrag nicht stattgegeben werden.
Ist ein Zollkontingent, ein Plafond oder eine Präferenzregelung bereits erschöpft bzw. nicht mehr anwendbar, ist ein Erlass bzw. eine Erstattung wegen der nachträglichen Vorlage von Unterlagen nicht möglich (Ausnahme: die Nichtanwendung des ermäßigten Zollsatzes oder der Zollbefreiung ist auf einen Irrtum der Zollbehörde zurückzuführen).
Auch eine nachträgliche Minderung des Kaufpreises wegen Schadhaftigkeit der Waren kann zu einem zu hohen Zollwert und damit zu einem Erlass- oder Erstattungsanspruch führen, wenn
- die Waren bereits zum Zeitpunkt der Annahme der Zollanmeldung mangelbehaftet waren,
- die Preisminderung gemäß den vertraglichen oder gesetzlichen Gewährleistungspflichten des Kaufvertrages und
- innerhalb eines Jahres nach Annahme der Zollanmeldung erfolgte.
Daneben können auch Fehler bei der Abwicklung der Zahlung durch den Abgabenschuldner (z.B. Überzahlung oder Doppelzahlung) zur Entrichtung gesetzlich nicht geschuldeter Abgabenbeträge führen, woraus sich dann ein Erstattungsanspruch ergibt.
Weitere Erstattungsgründe nach Art. 117 UZK
Ein Erstattungsanspruch entsteht auch in den Fällen, in denen eine Mitteilung nach Art. 102 UZK unzulässig war und der Abgabenbetrag nicht angefordert werden durfte, vgl. Ausführungen zum Verzicht auf die Mitteilung der Zollschuld.
Verzicht auf die Mitteilung der Zollschuld
Gründe, die einen Erlass oder eine Erstattung auch dann ausschließen, wenn alle anderen Voraussetzungen vorliegen
Ein Erlass oder eine Erstattung ist ausgeschlossen, wenn die unzutreffende Mitteilung des Abgabenbetrags auf eine Täuschung durch den Beteiligten zurückzuführen ist. Eine Täuschung liegt immer dann vor, wenn der Zollschuldner wissentlich falsche Angaben macht, die ursächlich für die unzutreffende Abgabenfestsetzung sind.