Erlass oder Erstattung wegen besonderer Umstände
Rechtsgrundlage für den Erlass oder die Erstattung
Die rechtliche Grundlage für den Erlass oder die Erstattung der Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben ist in diesem Fall Art. 120 Zollkodex der Europäischen Union (UZK). Sie muss im Antrag angegeben werden. Ein Erlass oder eine Erstattung von Verbrauchsteuern ist nach dieser Rechtsgrundlage nicht möglich; hierfür könnte evtl. § 227 Abgabenordnung (AO) zur Anwendung kommen.
Antragsfrist
Der Erlass- bzw. Erstattungsantrag muss grundsätzlich innerhalb von drei Jahren nach der Mitteilung der betreffenden Abgaben an den Zollschuldner erfolgen (Art. 121 Abs. 1 Buchstabe a) UZK). Nach Ablauf dieser Frist ist der Anspruch auf den Erlass oder die Erstattung verjährt und hinfällig.
Der Abgabenbetrag gilt als mitgeteilt, wenn dem Abgabenschuldner der entsprechende Bescheid zugeht. In Deutschland gilt ein mit der Post übermittelter Bescheid am dritten Tag nach der Aufgabe als zugegangen (§ 122 Abs. 2 AO). Elektronisch übermittelte Bescheide werden am 3. Tag nach der Absendung als bekannt gegeben angesehen (§ 122 Abs. 2a AO). Die Frist beginnt an dem Tag, der auf den Tag des Zugangs folgt.
Was sind "besondere Umstände"?
Der Gesetzgeber hat bereits für eine große Anzahl von Situationen des praktischen Lebens den Erlass oder die Erstattung von Einfuhr- und Ausfuhrabgaben geregelt. Es ist allerdings nicht möglich, alle irgendwann einmal vorkommenden Situationen vorauszusehen, die einen Erlass oder eine Erstattung rechtfertigen können.
In begründeten Einzelfällen soll ein Erlass oder eine Erstattung deshalb auch dann möglich sein, wenn der diese Maßnahme rechtfertigende Sachverhalt nicht in Art. 117 bis 119 UZK oder in Art. 180 Durchführungsverordnung (IA) aufgeführt ist. Es handelt es sich dann um einen Erlass oder eine Erstattung aus besonderen Gründen.
Eine solche Maßnahme setzt zwingend voraus, dass im konkret vorliegenden Einzelfall außergewöhnliche Umstände gegeben sind. Diese außergewöhnlichen Umstände müssen sich so auswirken, dass die Entrichtung der Abgaben dem Betroffenen nicht zumutbar ist. Sie dürfen allerdings ausschließlich "sachlicher Natur" sein (sachliche Billigkeitsgründe).
Gründe, die in der Person des Antragstellers liegen (persönliche Billigkeitsgründe), können nicht berücksichtigt werden. So sind z.B. plötzliche Zahlungsschwierigkeiten keine "besonderen Umstände".
Art. 120 Abs. 2 UZK erläutert den Begriff näher. Besondere Umstände liegen in der Regel vor, wenn
- die Einbehaltung der Abgaben eine nicht gerechtfertigte Benachteiligung des Abgabenschuldners im Vergleich mit anderen Wirtschaftsteilnehmern bedeuten würde und deshalb
- anzunehmen ist, dass der Gesetzgeber einen Erlass oder eine Erstattung vorgesehen hätte, wenn er genau diesen hier zu entscheidenden Einzelfall gesetzlich geregelt hätte.
Beispielsfälle und Erläuterungen der Europäischen Kommission zu den einzelnen Tatbestandsmerkmalen findet man im Informationspapier der Europäischen Kommission. Die von der Europäischen Kommission entschiedenen Fälle werden von ihr im Internet als Beschlüsse der Kommission veröffentlicht.
Was sind definitiv keine "besonderen Umstände"?
Ein Erlass oder eine Erstattung ist ausgeschlossen, wenn beispielsweise der einzige Grund bestehen würde, dass eingeführte Waren wieder ausgeführt werden, weil sie wegen eines zu hohen Preises, einer Modeänderung und Ähnliches in der Gemeinschaft nicht verkäuflich sind.
Dieser Grund geht nicht über das mit einem Handelsbetrieb verbundene normale geschäftliche Risiko hinaus.
Besonderheit Einfuhrumsatzsteuer
Die Einfuhrumsatzsteuer wird gemäß § 14 Abs. 2 Einfuhrumsatzsteuer-Befreiungsverordnung (EUStBV) nicht erstattet, wenn der Erstattungsberechtigte zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt ist.
Gründe, die einen Erlass oder eine Erstattung ausschließen, obwohl alle anderen Voraussetzungen vorliegen
Ein Erlass oder eine Erstattung ist ausgeschlossen, wenn die zur Begründung angeführten besonderen Umstände auf offensichtliche Fahrlässigkeit des zollschuldners zurückzuführen sind oder wenn eine Täuschung vorlag.
Offensichtliche Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die bei der Beachtung der zollrechtlichen Bestimmungen erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wird. Mit anderen Worten: wenn die Sorgfaltspflichtverletzung dem Zollschuldner eigentlich nicht hätte passieren dürfen.
Beteiligter in dem hier gemeinten Sinn ist nicht nur der Antragsteller, sondern jede mit der Erfüllung der Zollvorschriften für die betreffenden Waren befasste Person, also auch ein Spediteur, der die Formalitäten für die Einfuhrabfertigung erledigt. Der Antragsteller muss sich Handeln und Wissen dieser Personen zurechnen lassen.