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Pflichtverstöße, die das Entziehen betreffen - Art. 79 Abs. 1 Buchstabe a) UZK

Entziehen einer Ware aus der zollamtlichen Überwachung

Eine einfuhrabgabenpflichtige Ware wird der zollamtlichen Überwachung (Art. 5 Nr. 27 und Art. 134 Unionszollkodex (UZK)) entzogen, wenn eine ohne Zustimmung der Zollbehörden innerhalb des Zollgebiets erfolgte Handlung oder Unterlassung dazu führt, dass Zollkontrollen (Art. 5 Nr. 3 UZK) an der Ware nicht mehr vorgenommen werden können. Es genügt, dass den Zollbehörden auch nur vorübergehend die Möglichkeit genommen wird, die der zollamtlichen Überwachung unterliegende Ware zollamtlich zu prüfen (siehe hierzu EuGH-Urteil vom 1. Februar 2001 - C-66/99, "Wandel GmbH").

Zollamtliche Überwachung

Mit der Gestellung erhalten die Zollbehörden im Normalfall erstmals Kenntnis darüber, dass Nicht-Unionswaren aus einem Drittland eingetroffen sind. Ab diesem Zeitpunkt können konkrete Prüfungen an der Ware vorgenommen werden. Bei einem Fehlverhalten bis zum Gestellungszeitpunkt kommt eine Zollschuldentstehung durch vorschriftswidriges Verbringen in Betracht.
Pflichtverstöße nach der Gestellung mit der Folge, dass eine Zollkontrolle nicht mehr vorgenommen werden kann, sind als Entziehen aus der zollamtlichen Überwachung gemäß Art. 79 Abs. 1 Buchstabe a) UZK anzusehen.
Waren verbleiben so lange unter zollamtlicher Überwachung wie dies für die Ermittlung ihres zollrechtlichen Status (Nicht-Unionsware oder Unionsware, Art. 5 Nr. 22 UZK) erforderlich ist und sie dürfen daraus nicht ohne Erlaubnis der Zollbehörden entfernt werden. Grundsätzlich unterliegen Unionswaren nicht mehr der zollamtlichen Überwachung, sobald ihr zollrechtlicher Status festgestellt ist. Nicht-Unionswaren bleiben dagegen unter zollamtlicher Überwachung bis sich ihr zollamtlicher Status ändert oder sie aus dem Zollgebiet der Union verbracht oder zerstört werden.

Ein Entziehen aus der zollamtlichen Überwachung ist somit vom Beginn der vorübergehenden Verwahrung über die gesamte Dauer der in Betracht kommenden Zollverfahren möglich.

Typische Entziehungshandlungen sind beispielsweise:
  • Diebstahl und sonstiges unzulässiges Entfernen einer Ware von dem Verwahrungsort oder aus einem Zollverfahren
  • unzulässiges Verarbeiten einer vorübergehend verwahrten oder in einem Versandverfahren beförderten Ware
  • unzulässiges Vermischen einer solchen Ware mit anderen Waren
  • Zerstörung einer Ware ohne vorherige Mitteilung an die Zollbehörde
  • unzulässige Weitergabe oder Überlassung einer Ware, die sich in der vorübergehenden Verwendung befindet, an eine im Zollgebiet der Union ansässige Person
  • zeitweiliges Entfernen der Versanddokumente von der Ware (klarstellend wird darauf hingewiesen, dass im NCTS-Verfahren jedoch die Angabe der MRN ausreicht, da damit Zollkontrollen jederzeit möglich sind (Hinweis auf das EuGH-Urteil vom 29. April 2004 - C-222/01, "BAT Manufacturing BC"))
  • Entfernen von Waren, die sich in einem Zolllagerverfahren befinden, zur Wiederausfuhr ohne Überführung in ein Versandverfahren oder ohne Zulassung nach Art. 179 Abs. 3 UZK-DA (Hinweis auf das EuGH-Urteil vom 12. Februar 2004 - C-337/01, "Hamann International GmbH Spedition + Logistik")
  • Waren, die sich in einem besonderen Zollverfahren (z.B. aktive Veredelung) befinden, gelten auch als aus der zollamtlichen Überwachung entzogen, wenn sie ohne Erfüllung der bei der Ausgangszollstelle vorgesehenen Förmlichkeiten aus dem Zollgebiet verbracht worden sind (vgl. Art. 215, 270 UZK, Art. 267, 329 ff. UZK-IA)
  • unerlaubtes Entfernen von gestellten Nicht-Unionswaren vom Amtsplatz
  • Überführung von Nicht-Unionswaren in ein internes Versandverfahren durch einen zugelassenen Versender
  • Kennzeichnung von Nicht-Unionswaren als Unionswaren durch Angabe eines falschen Status im Rahmen der Bewilligung nach Art. 128 UZK-DA
  • Anmeldung von Nicht-Unionswaren zu einem besonderen Zollverfahren oder zur Ausfuhr unter Verwendung eines Verfahrenscodes, der den Unionsstatus vortäuscht (z.B. 1000, 1040, 2100, 2140, 2200, 2300 etc.)
  • Verwendung, Verbrauch und Verschwinden von abgabenpflichtigen Nicht-Unionswaren in einer Freizone (zur Freizone vgl. Art. 210 Buchstabe b), Art. 243 ff. UZK)

Ein Entziehen liegt also grundsätzlich vor, wenn sich die Waren nicht mehr an dem zugelassenen Ort befinden oder sie pflichtwidrig verändert wurden.

Ausnahme:
Ist die Zollstelle jedoch anhand vom Beteiligten vorgelegter Papiere bzw. anderer Unterlagen (z.B. Lagerbuchhaltung) in der Lage, den Ort, an dem sich die Ware befindet, zeitnah festzustellen, liegt kein Entziehen vor. Voraussetzung für einen derartigen Ausnahmefall ist, dass die Ware unverändert vorhanden ist und dass ggf. Zollkontrollen durch die Zollstelle durchgeführt werden können.

Beispiel

Eine Ware in einem großen Zolllager wird versehentlich nicht in dem angegebenen Regal sondern pflichtwidrig an einer anderen Stelle in diesem Zolllager gelagert. Diese Umlagerung wurde jedoch in den Bestandsaufzeichnungen zutreffend dokumentiert, so dass die Ware ohne Aufwand zu finden ist.

Hier ist allerdings zu prüfen, ob ggf. ein anderer Pflichtverstoß nach Art. 79 Abs. 1 Buchstabe a) UZK (z.B. das Nichtführen oder das nicht der Bewilligung entsprechende Führen von Aufzeichnungen) begangen wurde.

Zollschuldentstehung

Die Zollschuld entsteht in dem Zeitpunkt, in dem eine Zollkontrolle der Ware nicht mehr möglich ist, weil sie entzogen bzw. verändert wurde.

Zollschuldner

Zollschuldner beim Entziehen aus der zollamtlichen Überwachung ist, wer die betreffenden Verpflichtungen zu erfüllen hatte.
In der Regel sind Verpflichtungen durch

  • den Gestellenden (vgl. Art. 139 UZK),
  • den Inhaber des Verwahrungslagers (vgl. Art. 147 UZK) bzw.
  • den Inhaber des Verfahrens (vgl. Art. 5 Nr. 35, Art. 211 ff. UZK)

zu erfüllen.

Wird eine vorübergehend verwahrte Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen, so ist stets auch die für diese Ware verantwortliche Person Zollschuldner.
Das ist zunächst

  • die Person, die die Ware ordnungsgemäß gestellt hat, und ggf.
  • die Person, die die Anmeldung zur vorübergehenden Verwahrung abgegeben hat (Artikel 145 UZK).
  • Gegebenenfalls ist die Person für die Ware verantwortlich, der die Lagerung der Ware gemäß Artikel 147 UZK bewilligt worden ist.

Ist bereits eine Zollanmeldung abgegeben worden, so sind

  • der Zollanmelder und ggf.
  • die Person, für deren Rechnung die Zollanmeldung abgegeben worden ist,

die für die Ware verantwortlichen Personen (vgl. EuGH-Urteil vom 15. September 2005 - C-140/04, "United Antwerp Maritime Agencies NV - Unamar").

Bei der Person, die den Pflichtverstoß, der das Entziehen betrifft, begangen hat, kommt es allein auf die objektive Tatbestandserfüllung an. Es ist unerheblich, ob die entziehende Person von dem vorschriftswidrigen Verhalten wusste oder nicht. Auf ein Verschulden kommt es bei ihr nicht an.

Weitere Zollschuldner

Weitere Zollschuldner sind:

  • der Vertreter
    Nach Art. 79 Abs. 3 Buchstabe b) UZK wird auch der Vertreter Zollschuldner, wenn er von dem Pflichtverstoß wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen.
  • die an der Entziehung beteiligten Personen (z.B. Beifahrer, Mitwirkende oder Helfer)
    Beteiligt an dem Pflichtverstoß ist grundsätzlich jede Person, die durch ihr Verhalten die Pflichtverletzung veranlasst oder unterstützt. Das kann z.B. dadurch geschehen, dass dem Handelnden entsprechende Anweisungen oder Hilfen für sein Tun gegeben werden. Einer persönlichen Anwesenheit bedarf es nicht (vgl. EuGH-Urteil vom 23. September 2004 - C-414/02, "Spedition Ulustrans")

Eine Voraussetzung für die Zollschuldnerschaft des Vertreters oder Beteiligten ist das "Wissen oder vernünftigerweise hätte wissen müssen". Beim "Wissen oder vernünftigerweise hätte wissen müssen" ist auf die Sicht des verständigen und sorgfältig handelnden Wirtschaftsteilnehmers abzustellen (vgl. EuGH-Urteil vom 17. November 2011 - C-454/10, "Oliver Jestel"). Dabei kommt es auf die Kenntnis des Zusammenhangs zwischen der Beteiligungshandlung bzw. Vertretungshandlung und dem pflichtwidrigen Verhalten an. Maßgebend ist, ob die beteiligte Person alles unternommen hat, was vernünftigerweise von ihr erwartet werden kann, um sicherzustellen, dass die entsprechenden Verpflichtungen aus dem Zollrecht eingehalten werden.

Bei juristischen Personen kommt es auf das "Wissen oder vernünftigerweise hätte wissen-müssen" ihrer Organe an. Dabei ist die betriebliche Organisationstruktur zu berücksichtigen (Organisations- bzw. Überwachungsverschulden).

  • Besitzer oder Erwerber der Ware
    Zollschuldner wird schließlich unter den gleichen subjektiven Voraussetzungen wie der Beteiligte oder Vertreter, wer die Ware nach dem Entziehen und somit nach dem Entstehen der Zollschuld rechtsgeschäftlich erworben hat (Ankauf genügt) oder in wessen unmittelbaren oder mittelbaren Besitz die Ware auf andere Weise gelangt ist. Unerheblich ist, ob die Ware im Zeitpunkt des Erlasses eines Steuerbescheids noch immer im Besitz der betreffenden Person ist. Hinsichtlich der subjektiven Voraussetzungen ist auf den Zeitpunkt des Erwerbs oder Erhalts der Ware abzustellen.

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