Pflichtverstöße, die das Verbringen betreffen - Art. 79 Abs. 1 a) UZK
Verbringen einer Ware in das Zollgebiet der Union
Im Zusammenhang mit der Erfassung des grenzüberschreitenden Warenverkehrs hat der Verbringer eine Reihe von Pflichten einzuhalten. Hierzu gehört insbesondere, dass die über die Grenze in das Zollgebiet der Union verbrachten Waren auf einer vorgeschriebenen Beförderungsroute zu der zuständigen Zollstelle zu transportieren sind (sogenannte Beförderungspflicht - Art. 134 Abs. 1 Unionszollkodex (UZK)). Die Ankunft ist der Zollstelle mitzuteilen (Gestellungspflicht - Art. 139 UZK).
Für gestellte Nicht-Unionswaren ist eine Anmeldung zur vorübergehenden Verwahrung oder eine Zollanmeldung erforderlich (vgl. Art. 145 UZK).
Ein Pflichtverstoß, der das Verbringen betrifft, kann innerhalb des Zeitraums vom Moment des Überschreitens der Grenze des Zollgebiets der Union bis zu dem Zeitpunkt begangen werden, in dem die Ware ordnungsgemäß zu gestellen ist.
Wird gegen diese Pflichten verstoßen, liegt ein vorschriftswidriges Verbringen vor, so dass eine Zollschuld nach Art. 79 Abs. 1 Buchstabe a) UZK entsteht.
Art. 79 Abs. 1 Buchstabe a) UZK erfasst unter anderem den klassischen "Einfuhrschmuggel".
Typische Verstöße sind beispielsweise:
- Der Grenzübertritt mit Nicht-Unionswaren erfolgt über die "grüne Grenze", obwohl eine Befreiung von der Beförderungspflicht nicht vorliegt (dies gilt insbesondere für abgabenpflichtige Waren oder für motorisierte Fahrzeuge).
- Während des Transports auf einer Zollstraße wird diese ohne Zustimmung der zuständigen Zollstelle verlassen oder an der Ware werden Veränderungen vorgenommen.
Das Gleiche gilt auch für Wasserfahrzeuge auf einer Wasserzollstraße, die außerhalb eines zugelassenen Zolllandungsplatzes Verbindung mit dem Land aufnehmen. - Landung eines Flugzeuges außerhalb eines zugelassenen Zollflugplatzes, ohne dass eine Befreiung von dieser Pflicht besteht
- Nichtgestellung der Waren bei Ankunft auf dem Amtsplatz bzw. an einem anderen zugelassenen Ort
- Benutzen des "grünen Ausgangs für anmeldefreie Waren" an Flughäfen bzw. Seehäfen, obwohl im Reisegepäck auch abgabenpflichtige Waren mitgeführt werden
- Passieren einer Straßenzollstelle im Reiseverkehr mit abgabenpflichtigen Waren, ohne spontan eine mündliche Anmeldung abzugeben
- Für eine im Motorraum versteckte Ware wird keine ausdrückliche Gestellungsmitteilung über den Aufbewahrungsort abgegeben (Verstoß gegen die ausdrückliche Mitteilungspflicht bei versteckten bzw. verheimlichten Waren - § 8 Satz 2 ZollV).
- Es wird zwar eine Anmeldung abgegeben, diese entspricht jedoch nicht der tatsächlich verbrachten Ware (siehe auch EuGH-Urteil vom 3. März 2005 - C-195/03, "Papismedov").
Zollschuldentstehung
Die Zollschuld entsteht in all diesen Fallgruppen in dem Zeitpunkt, in dem der Pflichtverstoß begangen wird (Art. 79 Abs. 2 Buchstabe a) UZK).
Zollschuldner
Im Falle eines Pflichtverstoßes, der das Verbringen betrifft, ist nach Art. 79 Abs. 3 Buchstabe a) UZK Zollschuldner diejenige Person, welche die Verpflichtung hatte, die Ware ordnungsgemäß in das Zollgebiet zu verbringen. Dies ist bzw. sind:
- der Verbringer, also der tatsächlich Befördernde
Seine Verpflichtung kann nach dem Verbringen in das Zollgebiet der Union auf eine andere Person übergehen. Stellt sich heraus, dass die Waren nach dem Verbringen entgegen Art. 135 UZK befördert wurden, ist Zollschuldner diejenige Person, die im maßgebenden Zeitpunkt die Verantwortung für die Beförderung hatte. Lässt sich nicht eindeutig klären, wer zum Zeitpunkt des Pflichtverstoßes verantwortlich war, ist davon auszugehen, dass dies der Verbringer ist. Bei der verbringenden Person zählt allein die objektive Tatbestandserfüllung. So ist es unerheblich, ob die verbringende Person von dem vorschriftswidrigen Verhalten wusste oder nicht. Auf ein Verschulden kommt es bei ihr nicht an.
- der Vertreter
Nach Art. 79 Abs. 3 Buchstabe b) UZK wird auch der Vertreter Zollschuldner, wenn er von dem Pflichtverstoß wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen.
- die an dem vorschriftswidrigen Verbringen beteiligten Personen (z.B. Beifahrer, Mitwirkende oder Helfer)
Beteiligt an dem Pflichtverstoß ist grundsätzlich jede Person, die durch ihr Verhalten die Pflichtverletzung veranlasst oder unterstützt. Das kann z.B. dadurch geschehen, dass dem Handelnden entsprechende Anweisungen oder Hilfen für sein Tun gegeben werden. Einer persönlichen Anwesenheit bedarf es nicht (vgl. EuGH-Urteil vom 23. September 2004 - C-414/02 "Spedition Ulustrans").
Eine Voraussetzung für die Zollschuldnerschaft des Vertreters oder Beteiligten ist das "Wissen oder vernünftigerweise hätte wissen müssen". Beim "Wissen oder vernünftigerweise hätte wissen müssen" ist auf die Sicht des verständigen und sorgfältig handelnden Wirtschaftsteilnehmers abzustellen (vgl. EuGH-Urteil vom 17. November 2011 - C-454/10, "Oliver Jestel"). Dabei kommt es auf die Kenntnis des Zusammenhangs zwischen der Beteiligungshandlung bzw. Vertretungshandlung und dem pflichtwidrigen Verhalten an. Maßgebend ist, ob die beteiligte Person alles unternommen hat, was vernünftigerweise von ihr erwartet werden kann, um sicherzustellen, dass die entsprechenden Verpflichtungen aus dem Zollrecht eingehalten werden. Bei juristischen Personen kommt es auf das "Wissen oder vernünftigerweise hätte wissen-müssen" ihrer Organe an. Dabei ist die betriebliche Organisationstruktur zu berücksichtigen (Organisations- bzw. Überwachungsverschulden).
So ist z.B. an dem vorschriftswidrigen Verbringen auch beteiligt, wer, ohne am Verbringen unmittelbar mitzuwirken, daran als (Internet-)Vermittler beim Abschluss der Kaufverträge für die betreffende Ware beteiligt war, sofern er wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass dieses Verbringen vorschriftswidrig sein würde (vgl. EuGH-Urteil vom 17. November 2011 - C-454/10, "Oliver Jestel").
- Besitzer oder Erwerber der Ware
Zollschuldner wird schließlich unter den gleichen subjektiven Voraussetzungen wie der Beteiligte oder Vertreter, wer die Ware nach dem Verbringen und somit nach dem Entstehen der Zollschuld rechtsgeschäftlich erworben hat (Ankauf genügt) oder in wessen unmittelbaren oder mittelbaren Besitz die Ware auf andere Weise gelangt ist. Unerheblich ist, ob die Ware im Zeitpunkt des Erlasses eines Steuerbescheids noch immer im Besitz der betreffenden Person ist. Hinsichtlich der subjektiven Voraussetzungen ist auf den Zeitpunkt des Erwerbs oder Erhalts der Ware abzustellen.