Hierunter fallen alle Pflichtverletzungen, bei denen es sich nicht bereits um Pflichtverstöße handelt, die das Verbringen oder das Entziehen aus der zollamtlichen Überwachung betreffen.
Es handelt sich dabei insbesondere um Pflichten, die sich aus den Vorschriften über das Zollverfahren (Art. 5 Nr. 16 Unionszollkodex (UZK)), zu dem die Ware überlassen worden ist, ergeben und die ggf. in der Bewilligung des betreffenden Zollverfahrens und/oder der Bewilligung der Überführung in einem vereinfachten Verfahren konkretisiert sind.
Kabotage
Ein nicht zugelassener Binnenverkehr (Kabotage = gewerbliche Beförderung von Waren, die im Zollgebiet der Union geladen und wieder entladen werden) führte bisher regelmäßig zu einer Zollschuldentstehung für das zweckwidrig verwendete Beförderungsmittel. In das Durchführungsrecht zum UZK wurde keine entsprechende Definition für "Binnenverkehr" aufgenommen (vgl. dazu Art. 215 Abs. 4 DA). Auch fehlt eine Regelung für die gewerbliche Verwendung des Beförderungsmittels im Zollgebiet der Union (vgl. dazu Art. 212 Abs. 3 DA). Das bedeutet, dass künftig eine unzulässige Kabotage nicht mehr zur Zollschuldentstehung führt (die Ahndung von Kabotage-Verstößen nach nicht-zollrechtlichen Bestimmungen bleibt davon unberührt).
Zollschuldentstehung
Die Zollschuld entsteht in dem Zeitpunkt, in dem der Pflichtverstoß durch aktives Handeln oder pflichtwidriges Unterlassen erfolgt, so dass aufgrund dieses Handelns oder Unterlassens die in den zollrechtlichen Vorschriften vorgesehene Verpflichtung nicht oder nicht mehr erfüllt werden kann.
Zollschuldner
Zollschuldner ist die Person, die die Pflicht aus der vorübergehenden Verwahrung, der Inanspruchnahme des betreffenden Zollverfahrens, aus der Verwertung sowie aus der Endverwendung zu erfüllen hat. Die Verpflichtungen ergeben sich aus dem jeweiligen Verfahren (siehe vorstehende Aufzählung). Bei der Person, die den Pflichtverstoß begangen hat, kommt es allein auf die objektive Tatbestandserfüllung an. Es ist unerheblich, ob die Person von dem vorschriftswidrigen Verhalten wusste oder nicht. Auf ein Verschulden kommt es bei ihr nicht an.
Bei in ein Zollverfahren übergeführten Waren sind gegebenenfalls auch andere Personen als der Verfahrensinhaber zur Erfüllung von Pflichten aus dem betreffenden Zollverfahren verpflichtet (z.B. der Beförderer und der Empfänger von Waren im Unionsversandverfahren, Art. 233 Abs. 3 UZK).
Weitere Zollschuldner
Weitere Zollschuldner sind:
- der Vertreter
Nach Art. 79 Abs. 3 Buchstabe b) UZK wird auch der Vertreter Zollschuldner, wenn er von dem Pflichtverstoß wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen.
- die an dem Pflichtverstoß beteiligten Personen (z.B. Mitwirkende oder Helfer)
Beteiligt an dem Pflichtverstoß ist grundsätzlich jede Person, die durch ihr Verhalten die Pflichtverletzung veranlasst oder unterstützt. Das kann z.B. dadurch geschehen, dass dem Handelnden entsprechende Anweisungen oder Hilfen für sein Tun gegeben werden. Einer persönlichen Anwesenheit bedarf es nicht (vgl. EuGH-Urteil vom 23. September 2004 - C-414/02, "Spedition Ulustrans")
Eine Voraussetzung für die Zollschuldnerschaft des Vertreters oder Beteiligten ist das "Wissen oder vernünftigerweise hätte wissen müssen". Beim "Wissen oder vernünftigerweise hätte wissen müssen" ist auf die Sicht des verständigen und sorgfältig handelnden Wirtschaftsteilnehmers abzustellen (vgl. EuGH-Urteil vom 17. November 2011 - C-454/10, "Oliver Jestel"). Dabei kommt es auf die Kenntnis des Zusammenhangs zwischen der Beteiligungshandlung bzw. Vertretungshandlung und dem pflichtwidrigen Verhalten an. Maßgebend ist, ob die beteiligte Person alles unternommen hat, was vernünftigerweise von ihr erwartet werden kann, um sicherzustellen, dass die entsprechenden Verpflichtungen aus dem Zollrecht eingehalten werden.
Bei juristischen Personen kommt es auf das "Wissen oder vernünftigerweise hätte wissen-müssen" ihrer Organe an. Dabei ist die betriebliche Organisationstruktur zu berücksichtigen (Organisations- bzw. Überwachungsverschulden).
- Besitzer oder Erwerber der Ware
Zollschuldner wird schließlich unter den gleichen subjektiven Voraussetzungen wie der Beteiligte oder Vertreter, wer die Ware nach dem Pflichtverstoß und somit nach dem Entstehen der Zollschuld rechtsgeschäftlich erworben hat (Ankauf genügt) oder in wessen unmittelbaren oder mittelbaren Besitz die Ware auf andere Weise gelangt ist. Unerheblich ist, ob die Ware im Zeitpunkt des Erlasses eines Steuerbescheids noch immer im Besitz der betreffenden Person ist. Hinsichtlich der subjektiven Voraussetzungen ist auf den Zeitpunkt des Erwerbs oder Erhalts der Ware abzustellen.