Überlassung zum zollrechtlich freien Verkehr - Art. 77 Abs. 1 Buchstabe a) UZK
Häufigster Fall der Entstehung einer Zollschuld ist die Überlassung einer Nicht-Unionsware zum zollrechtlich freien Verkehr, einschließlich der Endverwendung zu einem ermäßigten Einfuhrabgabensatz.
Voraussetzung für die Überführung in dieses Zollverfahren ist immer die Abgabe einer Zollanmeldung und das ordnungsgemäße Durchlaufen des sich anschließenden Abfertigungsverfahrens.
Die Form der Zollanmeldung spielt dabei für die Zollschuldentstehung keine Rolle. Für die Zollanmeldung mit Mitteln der Elektronik (z.B. ATLAS) gelten die gleichen Voraussetzungen wie für die schriftliche Zollanmeldung mit Einheitspapier, einschließlich der vereinfachten Zollanmeldung, sowie die mündliche Zollanmeldung. Bei Abgabe einer Zollanmeldung durch ein bestimmtes Verhalten (z.B. Benutzen des "grünen Ausgangs" an Flughafenzollstellen) kommt eine Zollschuldentstehung nach Art. 77 Abs. 1 Buchstabe a) Unionszollkodex (UZK) jedoch nicht in Betracht. Diese Form der Anmeldung ist ausschließlich abgabenfreien Waren vorbehalten.
Durch die Überlassung einer Nicht-Unionsware in den zollrechtlich freien Verkehr wird grundsätzlich der Wechsel des zollrechtlichen Status (vgl. Art. 5 Nr. 22 UZK) angestrebt. Nach Zahlung der Einfuhrabgaben erhält die Ware den Status einer Unionsware (Art. 201 Abs. 3 UZK). Neben der Zahlung der gesetzlich vorgeschriebenen Einfuhrabgaben sind auch die handelspolitischen Maßnahmen nach dem Außenwirtschafts- und Marktordnungsrecht sowie Verbote und Beschränkungen zu beachten.
Zollschuldentstehung
Die Zollschuld entsteht in dem Zeitpunkt, in dem die Zollanmeldung rechtswirksam durch die Zollstelle angenommen wird (Art. 77 Abs. 2 UZK). Dieses in vielerlei Hinsicht relevante Datum - das sogenannte maßgebende Datum - wird daher auf der Anmeldung vermerkt.
Abweichend hiervon entsteht die Zollschuld bei einer Überlassung zum zollrechtlich freien Verkehr im Anschreibeverfahren im Zeitpunkt der Anschreibung (Art. 167 Abs. 4 UZK, Art. 182 Abs. 2 UZK).
Zollschuldner
Zur Zahlung der Einfuhrabgaben verpflichtet, also Zollschuldner, wird nach Art. 77 Abs. 3 UZK die Person, die die Zollanmeldung in eigenem Namen abgibt oder in deren Namen eine Zollanmeldung abgegeben wird, also der Anmelder (hiervon erfasst wird auch der indirekte Stellvertreter).
Im Falle der indirekten Stellvertretung werden gesamtschuldnerisch sowohl der Stellvertreter als auch der Vertretene Zollschuldner. Vertreter ohne Vertretungsmacht gelten als im eigenen Namen handelnd und sind somit als Anmelder Zollschuldner (Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 UZK).
Weiterer Zollschuldner bei unrichtigen Angaben
Kommt es im Falle unrichtiger Angaben in der Zollanmeldung dazu, dass die Einfuhrabgaben ganz oder teilweise nicht erhoben werden, so wird nach Art. 77 Abs. 3 Unterabs. 2 UZK auch diejenige Person Zollschuldner, die die für die Zollanmeldung erforderlichen Angaben geliefert hat und die gewusst hat oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass sie unrichtig waren.
Beim "Wissen oder vernünftigerweise hätte wissen müssen" ist auf die Sicht des verständigen und sorgfältig handelnden Wirtschaftsteilnehmers abzustellen (vgl. EuGH-Urteil vom 17.11.2011 - C-454/10, "Oliver Jestel"). Dabei kommt es auf die Kenntnis des Zusammenhangs zwischen der Beteiligungshandlung bzw. Vertretungshandlung und dem pflichtwidrigen Verhalten an. Maßgebend ist, ob die beteiligte Person alles unternommen hat, was vernünftigerweise von ihr erwartet werden kann, um sicherzustellen, dass die entsprechenden Verpflichtungen aus dem Zollrecht eingehalten werden.
Bei juristischen Personen kommt es auf das "Wissen oder vernünftigerweise hätte wissen-müssen" ihrer Organe an. Dabei ist die betriebliche Organisationstruktur zu berücksichtigen (Organisations- bzw. Überwachungsverschulden).