Jahresbilanz 2022 des Hauptzollamts Gießen
2,57 Milliarden Euro Steuereinnahmen; mehr Arbeitgeber auf Schwarzarbeit überprüft; 126 Millionen Euro offene Forderungen vollstreckt
Der Zoll ist Partner der Wirtschaft und ein wichtiger Dienstleister für die Menschen und Unternehmen in Deutschland.
Mehr als 48.000 Zöllnerinnen und Zöllner bundesweit sorgen mit der Abfertigung von Waren aus der ganzen Welt dafür, dass der deutsche Import- und Exporthandel reibungslos funktioniert und Lieferketten eingehalten werden können. Durch risikoorientierte Kontrollen leisten sie darüber hinaus einen wichtigen Beitrag zur Sicherheit und Ordnung.
Gleichzeitig ist der Zoll aber auch die Einnahmeverwaltung des Bundes. Mit der Erhebung von Steuern und Abgaben für den Bundeshaushalt und die EU trägt er damit wesentlich zur Leistungs- und Handlungsfähigkeit des Staates bei.
Obwohl der Zoll einer der größten Arbeitgeber des Bundes ist, sind die vielfältigen Aufgaben des Zolls in der Öffentlichkeit weithin selten in ihrer Vielfalt bekannt. Sie bieten auch spannende Perspektiven für Ausbildungssuchende, sowohl im Innen- als auch Außendienst.
Das Hauptzollamt Gießen bildet aus und sucht jedes Jahr Nachwuchskräfte. Derzeit befinden sich 114 Auszubildende in einer zweijährigen Zollausbildung oder einem dreijährigen dualen Studium. 43 davon beenden ihre Ausbildung beziehungsweise ihr Studium im Juli 2023. Im August 2023 kommen bereits 50 neue Auszubildende hinzu.
Uta Ruge, Leiterin des Hauptzollamts
"Mit unseren vielfältigen Aufgaben und Tätigkeiten bieten wir beste Karrierechancen und einen abwechslungsreichen und sinnstiftenden Beruf für junge Menschen. Eine fundierte Ausbildung oder ein duales Bachelor-Studium, ein breitgefächertes Aufgabenfeld, flexible und mobile Arbeitsmodelle, eine gute Bezahlung sowie eine ausgezeichnete Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermöglichen jedem, sich mit seinen persönlichen Vorstellungen und Stärken einzubringen.
Darüber hinaus besteht für Menschen, die bereits einen Beruf ausüben oder arbeitssuchend sind, auch die Möglichkeit, sich mit einer Bewerbung beim Zoll beruflich zu verändern", so Uta Ruge, die Leiterin des Hauptzollamts Gießen.
Ausbildung beim Hauptzollamt
Die Jahresbilanz 2022 im Einzelnen
Erhebung von Steuern und Abgaben
Mit Steuereinnahmen von 2,57 Milliarden Euro leisteten auch die mehr als 1.000 Beschäftigten des für Nord-, Ost- und Mittelhessen zuständigen Hauptzollamts Gießen wieder einen erheblichen Beitrag für den Bundeshaushalt.
"Die gerechte Erhebung von Steuern und Zöllen war auch im vergangenen Jahr eine Hauptaufgabe der Gießener Zöllnerinnen und Zöllner, die eine beachtliche Bilanz vorlegen", so die Leiterin des Amtes.
1,37 Milliarden Euro bei der Einfuhr von Waren erhobene Einfuhrumsatzsteuer machten dabei den größten Anteil der Steuereinnahmen aus. Eine signifikante Steigerung zum Vorjahr (2021: 1,09 Mrd. Euro) lässt sich auf einen ansteigenden Warenverkehr nach dem Abklingen der Corona-Pandemie zurückführen.
Die bei der Zollabfertigung von Waren erhobenen Zölle, die der Europäischen Union zustehen, beliefen sich auf 54,3 Millionen Euro.
Die Steuer auf Energieträger wie Mineralöl und Erdgas (Energiesteuer) brachte 434 Millionen Euro ein. Auf die Stromsteuer entfielen 168 Millionen Euro. Von den im Bezirk ansässigen Luftverkehrsunternehmen wurden knapp 109 Millionen Euro Luftverkehrsteuer an das Hauptzollamt gezahlt. Auch hier gab es nach dem Einbruch im Jahr 2021 (2021: 40,5 Mio. Euro) eine deutliche Steigerung, die mit den vorhergehenden Einschränkungen des Flugverkehrs aufgrund der Pandemie zusammenhängt.
An Steuerentlastungen wurden insgesamt 156,2 Millionen Euro verbucht.
Die übrigen Verbrauchsteuern (Alkohol-, Kaffee-, Bier- oder Tabaksteuer) sowie sonstige Einnahmen betrugen circa 14,5 Millionen Euro.
Das Hauptzollamt ist auch zuständig für die Erhebung der Kraftfahrzeugsteuer. In Gießen und Kassel erfolgt die Festsetzung der Kraftfahrzeugsteuer für circa 2,9 Millionen Kfz-Zulassungen im Bezirk und in der Stadt Frankfurt am Main. 431,7 Millionen Euro an Kraftfahrzeugsteuer wurden im vergangenen Jahr festgesetzt.
Warenabfertigung bei den Zollämtern
Die sechs Zollämter des Hauptzollamts Gießen in Oberursel, Wetzlar, Marburg, Kassel, Fulda und Bad Hersfeld sind für die Abfertigung der Ein- und Ausfuhrsendungen der Unternehmen im Bezirk zuständig.
Sie fertigten mehr als 6,5 Millionen Warensendungen der im Bezirk ansässigen Unternehmen und Bürgerinnen und Bürger beim Im- und Export ab. Dabei blieben die Abfertigungszahlen annähernd auf gleichbleibend hohem Niveau, pendelten sich aber insgesamt etwas unter dem Vorjahreswert ein.
Im Internationalen Postverteilzentrum (IPZ II) am Logistikstandort Niederaula im Kreis Hersfeld-Rotenburg war die Zollabfertigung auch im vergangenen Jahr besonders durch die Auswirkungen des zunehmenden E-Commerce geprägt.
Seit Juli 2021 müssen alle Sendungen aus Drittländern beim Zoll angemeldet werden. Eine frühere EU-Regelung für anmeldefreie Kleinsendungen bis 22 Euro ist entfallen. Das führte 2022 zu einem deutlichen Anstieg der elektronischen Zollanmeldungen um mehr als fünf Millionen Sendungen. Zur Bewältigung wurde das Zollabfertigungssystem ATLAS um das neue elektronische Abfertigungsprogramm IMPOST ergänzt.
Damit wird ein Großteil der Kleinsendungen vollständig automatisiert abgefertigt, wodurch sichergestellt wird, dass der Warenfluss nicht unterbrochen wird und gerade im Bereich von Kleinsendungen die Abfertigung dieser Waren schnell und unkompliziert vorgenommen werden kann. Die Kontrolle der Waren erfolgt risikoorientiert.
"Durch den Einsatz leistungsfähiger und moderner digitaler Abfertigungssysteme sowie kontinuierlich fortgeschriebener Geschäftsprozesse innerhalb der Verwaltung ist es uns möglich, solchen Herausforderungen gerecht zu werden. Das Spannungsfeld zwischen den Auswirkungen zahlreicher politischer und gesamtgesellschaftlicher Entwicklungen, wie beispielsweise E-Commerce oder Brexit, auf die Zollverwaltung und einer effizienten und reibungslosen Auftragserledigung als verlässlicher Partner der Wirtschaft - auch in Krisenzeiten - lässt sich nur durch eine weiterhin konsequente digitale Transformation der Zollverwaltung in allen Bereichen bewältigen", so Uta Ruge, die Leiterin des Hauptzollamts Gießen.
Neben der Erhebung der Einfuhrabgaben und der Ausfuhrkontrolle überwachen die Bediensteten bei den Zollämtern und im IPZ auch viele Verbote und Beschränkungen nach anderen Gesetzen als den Zollvorschriften.
In 73 Fällen zogen die Zöllner insgesamt 3.459 Plagiate im Wert von über 650.000 Euro aus dem Verkehr. Die meisten Artikel kamen aus Asien und waren persönliches Zubehör und Kleidung.
Bei den Sendungen im IPZ wurden immer wieder Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz verzeichnet. Insbesondere in Sendungen aus Großbritannien fanden die Abfertigungsbeamt*innen häufig Drogen, darunter zum Teil auch neu synthetische Drogen wie 4.141 beschlagnahmte Sendungen mit Arzneimitteln und mehr als 539 Sendungen, die nach dem Waffenrecht zu beanstanden waren. Sie machten einen großen Anteil bei den Beschlagnahmen aus.
Darüber hinaus erfüllten viele im Internet bestellte Waren (vor allem Elektroartikel) die Bestimmungen des Produktsicherheitsgesetzes nicht und wurden vernichtet oder zurückgesandt.
Überwachung der EU-Sanktionsvorschriften
Vermehrte Aufgaben bekam das Hauptzollamt auch im Zusammenhang mit dem Angriffskrieg Russlands in der Ukraine.
"Unsere Zollämter leisten einen wichtigen Beitrag bei der effektiven Durchsetzung der EU-Sanktionen gegen Russland", so Uta Ruge.
Darüber hinaus hatten risikoorientierte Vor-Ort-Prüfungen in Unternehmen durch den Prüfungsdienst des Amts auch die Einhaltung der Sanktionsvorschriften und gegebenenfalls Proliferationsfinanzierungen zum Gegenstand.
"Auch hier hat ein effizientes Risikomanagement eine wichtige Bedeutung", so Ruge.
Schutz von Sicherheit und Ordnung und Kontrollen
Die beiden mobilen Kontrolleinheiten des Hauptzollamts Gießen in Kassel und Gießen sind tagtäglich auf den Straßen unterwegs und überwachen sowohl die Einhaltung der zoll- und verbrauchsteuerrechtlichen Vorschriften als auch die sogenannten Verbote und Beschränkungen.
Insgesamt kontrollierten die Zöllner 7.782 Personen und Objekte und führten 64 Kontrollen bei Post- und Paketdienstleistern und Postsendungen durch.
In 1.753 Fällen kam es zu Beanstandungen.
Besonders die Bekämpfung des Drogenschmuggels war ein Schwerpunkt der Kontrolleure. Alleine hier gab es insgesamt 1.291 Beanstandungen, die dazu führten, dass knapp 300 Kilogramm Rauschgift aus dem Verkehr gezogen wurden. Davon hatten Cannabis-Produkte wie Marihuana und Haschisch mit 152 Kilogramm den größten Anteil. Aber auch Kokain, Amphetamin (Ecstasy), Crystal Meth, LSD und Khat wurden sichergestellt.
Darauf beruhten letztendlich auch die Steigerungen bei den Sicherstellungen und den eingeleiteten Strafverfahren (2.268).
Darüber hinaus konfiszierten die Zöllnerinnen und Zöllner mehr als eine halbe Tonne unversteuerten Shisha-Tabak, fast eine halbe Million Schmuggelzigaretten und 14 Waffen oder Teile davon sowie in kleineren Mengen Markenfälschungen, unversteuerten Kaffee, Arzneimittel und gefälschte Ausweise, die mit der Post verschickt wurden.
Zur Unterstützung setzt der Gießener Zoll auch vier Rauschgiftspürhunde und ein mobiles Scanmobil zum Durchleuchten von Gepäckstücken oder Pakten ein.
Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS)
Auch die Schwarzarbeitsfahnder des Hauptzollamts Gießen sind im vergangenen Jahr entschieden gegen Schwarzarbeit, illegale Beschäftigung und Sozialleistungsbetrug in Nord-, Ost- und Mittelhessen vorgegangen, um für faire Bedingungen auf dem heimischen Arbeitsmarkt zu sorgen.
Der Schwerpunkt der Ermittlungen lag auf den Tatbeständen des Betrugs, des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt und des illegalen Aufenthalts.
Darüber hinaus wurden durch die Ermittlungen der FKS kriminelle Aktivitäten, dubiose Firmengeflechte und undurchsichtige Betrugssysteme erfolgreich aufgedeckt.
"Die Bekämpfung der organisierten Formen der Schwarzarbeit und der Organisierten Kriminalität bilden einen Schwerpunkt der Aufgabenwahrnehmung unserer FKS. Die diesen Ermittlungen zugrundeliegenden Straftaten sind der schweren und der organisierten Wirtschaftskriminalität zuzurechnen.
Die Täter verursachen hohe Sozialversicherungs- und Steuerschäden und benachteiligen auch seriöse Mitbewerber durch unlautere Wettbewerbsvorteile. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, diese kriminellen Strukturen nachhaltig zu beeinträchtigen", so die Gießener Zollchefin.
Mit 299 Bediensteten an den Standorten Gießen, Kassel, Bad Hersfeld und Fulda ist die Finanzkontrolle Schwarzarbeit das größte Arbeitsgebiet des Amtes. Insgesamt wurden 2.026 Arbeitgeber überprüft (2021: 1.709). Einen Großteil der Arbeit der Finanzkontrolleure machte die Ermittlungsarbeit aus. Es wurden 4.368 Strafverfahren abgeschlossen (2021: 4.075). Darüber hinaus wurden 1.577 Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet (2021: 1.527).
Insgesamt deckten die Ermittler mit ihrer Arbeit letztes Jahr einen Schaden für die Sozialkassen von knapp 34 Millionen Euro auf.
In Folge der Straf- und Bußgeldverfahren wurden Geldstrafen und Bußgelder von mehr als 1,3 Millionen Euro und Freiheitsstrafen von insgesamt 564 Monaten verhängt.
Weitere Aufgaben
Prüfungsdienst und Steueraufsicht
Um eine gleichmäßige Besteuerung zu gewährleisten, führten Zoll- und Steuerprüfer des Hauptzollamts im letzten Jahr 1.923 Prüfungen und Steueraufsichtsmaßnahmen in heimischen Betrieben durch.
Aufgrund der Prüfungen wurden 9,5 Millionen Euro an Steuern nacherhoben oder zurückgefordert. Erstattet wurden den Betrieben 260.472 Euro.
Vollstreckung
Die Vollstreckungsstelle des Hauptzollamts in Bad Hersfeld hatte mit 379.309 Vollstreckungsfällen, die neben zolleigenen Forderungen von der Bundesagentur für Arbeit, den Sozialversicherungen und anderen Bundesbehörden stammen, nach Abklingen der Pandemie ein leicht gestiegenes Arbeitsaufkommen zu bewältigen. Sie ist bundesweit die größte Vollstreckungsstelle des Zolls und örtlich für das gesamte Bundesland Hessen zuständig.
Mit der Beitreibung von nicht gezahlten Beiträgen und Steuern oder zurückgeforderten Sozialleistungen in Höhe von mehr als 126 Millionen Euro leisteten die Bediensteten auch im letzten Jahr einen wichtigen Beitrag für die Staats- und Sozialkassen.
Die Verwertungsstelle führte 11.312 Vernichtungen von beschlagnahmten Waren durch und versteigerte in 276 Auktionen Pfandsachen über die Zoll-Auktion.
"Hier wird Enormes geleistet. Die Ergebnisse zeigen die Leistungsfähigkeit der Beschäftigten in Bad Hersfeld. Wir sind auch weiterhin bestrebt, in angemessener Zeit und zu niedrigen Kosten hohe Beitreibungsquoten zu erreichen, um so einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der Sozialkassen zu leisten", kommentierte die Hauptzollamtsleiterin das Ergebnis.
Das von den fast 200 Zöllnerinnen und Zöllnern als Dienstleister und Gerichtsvollzieher des Bundes mit großem Engagement beigetriebene Geld wurde in die Sozialkassen und den Bundeshaushalt zurückgeführt.
Zoll-Auktion
Die beim Hauptzollamt Gießen (ebenfalls in Bad Hersfeld) betriebene, bundesweit einzigartige Zoll-Auktion erfreut sich besonderer Beliebtheit sowohl bei Bietern als auch bei Anbietern.
Mit der Versteigerung von gepfändeten Sachen im Internet kann der Zoll nicht nur seine Vollstreckungsaufträge im Sinne der Gläubiger optimal erledigen, sondern er bietet auch vielen anderen Behörden und Institutionen die Möglichkeit, ausgesonderte, gepfändete oder sichergestellte Sachen über das Internet zu versteigern.
Mittlerweile nutzen 6.276 Behörden das Auktionshaus des Zolls. Fast 159.000 registrierte Bieter nutzten das breitgefächerte Angebot, um unter www.zoll-auktion.de bei über 42.000 Auktionen mitzubieten und möglichst ein Schnäppchen zu machen.
Die Auktionen brachten den öffentlichen Kassen 2022 insgesamt knapp 110 Millionen Euro ein.
Zoll-Auktion