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Ermittlungskomplex "Hydra"

Ermittlungskomplex "Hydra"

  • Ort und Datum : Münchem, 26. Oktober 2020

Herausgeber

Zollfahndungsamt München

  • StrasseHausnummerLandsberger Straße 124
  • PLZOrt80339 München

Die bei der Generalstaatsanwaltschaft Bamberg errichtete Zentralstelle Cybercrime Bayern und das Zollfahndungsamt München vollstreckten am Dienstag, dem 13. Oktober 2020, nach fast zweijährigen international geführten Ermittlungen fünf Durchsuchungsbeschlüsse und zwei Haftbefehle im Stadtgebiet von München. Hohe Vermögenswerte und umfangreiches Datenmaterial wurden gesichert.

Zwei mit Hauptwohnsitz in München gemeldete deutsche Beschuldigte im Alter von 35 und 38 Jahren stehen unter Verdacht, groß angelegt und professionell illegale, nicht zugelassene beziehungsweise verschreibungspflichtige Arzneimittel containerweise in Asien beschafft und über ein Drehkreuz in Singapur weltweit im Postverkehr weiterversendet zu haben.

Im Freilager von Singapur erfolgte die Konfektionierung der Präparate je nach individueller Bestellung, die Aufgabe zur dortigen Post und die Weiterbeförderung zumeist im Luftverkehr an die Endkunden.

Die beiden Männer wurden am 13. Oktober 2020 festgenommen und befinden sich seitdem auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Bamberg in Untersuchungshaft. Der herausragende Ermittlungserfolg gegen den weltweiten Handel mit illegalen und nicht zugelassenen Arzneimitteln kann aus taktischen Gründen erst jetzt öffentlich gemacht werden.

An ihre Kunden gelangten die Täter nach derzeitigem Ermittlungsstand mittels mehrerer in Island gehosteter Server, die eine Vielzahl von Domains in unterschiedlichen Sprachen bereitstellten und auf deren Seiten von jedem Ort der Welt aus online illegale Arzneimittel unterschiedlicher Ausprägung und Wirkungsweise bestellt werden konnten.

In den vergangenen fünf Jahren stellte der Zoll allein am internationalen Postverteilzentrum des Flughafens Frankfurt am Main rund 6.000 Briefe und Päckchen an in Deutschland ansässige Abnehmer sicher, die unterschiedliche Präparate der Tätergruppierung enthielten.

Zusätzlich kam es am Frankfurter Flughafen im Zeitraum Juli 2019 bis Juli 2020 unter der Federführung der Zollfahndung zur Sicherstellung weiterer 1.700 Postsendungen mit mehr als 100.000 Tabletten und Pillen, die ebenfalls nur für deutsche Abnehmer bestimmt waren. Gegen alle Empfänger wurden durch den Zoll noch von Frankfurt am Main aus Verfahren wegen Verdachts von Verstößen gegen das Arzneimittelgesetz eröffnet, da eine Verkehrsfähigkeit nicht vorlag und einfuhrrechtliche Voraussetzungen verletzt waren.

Vorrangig Potenz- und Abnehmpillen, Antibiotika, Medikamente gegen Krebs beziehungsweise HIV, aber auch vermeintliche Medikamente, die versuchsweise in Australien zur Therapie gegen Covid-19 eingesetzt worden seien, fanden reißenden Absatz. Die Kunden in den USA bevorzugten bei ihren Bestellungen überwiegend Schmerzmittel und griffen dabei auf Präparate zurück, die in den USA teilweise unter die dortigen Bestimmungen des Betäubungsmittelrechts fallen.

Ihre kriminellen Dienste beziehungsweise ihr aufwendig über Jahre geschaffenes Netzwerk sollen die beiden Münchner zudem weiteren in diesem Geschäftsfeld tätigen international agierenden Gruppierungen angeboten haben. Somit kam es zu einer Potenzierung der eigenen Gewinne, die über ein Geflecht von Scheinfirmen in Singapur, Hongkong und den British Virgin Islands den Beschuldigten zugeflossen sein sollen. Flankierend zu den jetzigen Maßnahmen wurden dementsprechend von der Generalstaatsanwaltschaft Bamberg Vermögensarreste in Höhe von 1,5 Millionen Euro erwirkt.

Mehrere zum Zweck der Vermögensaufspürung und -abschöpfung eingesetzte Zollfahnderinnen und Zollfahnder konnten am Tag der Durchsuchung neben drei hochwertigen Sportwagen auch Segways, teure E-Bikes und mehrere Luxusuhren sichern. Spezialisten der Zentralen Internet Recherche Einheit (ZIRE) des Zollkriminalamts spürten bei der Durchsuchung des Münchner Firmensitzes im Rahmen der Auswertung vorgefundener IT-Ausstattung Kryptowährungen im Wert von mehr als 600.000 Euro auf. Diese wurden ebenfalls gesichert und auf "Wallets" des Zolls transferiert.

Schon im Januar 2018 kam es durch die spanische Nationalpolizei zur Zerschlagung eines Vertriebszweiges dieser Gruppierung, die den spanischen Markt bediente. Bei den seinerzeit durchgeführten Maßnahmen wurden 25 Personen festgenommen, über 500.000 illegale Pillen und Tabletten sichergestellt sowie Bankguthaben, Bargeld und Kryptowährungen mit Gegenwert von rund 400.000 Euro eingefroren. In der Folge kam es dann zu einer intensiven Zusammenarbeit des Zollfahndungsamts München mit der spanischen Nationalpolizei, um hier gegen den 38-jährigen mutmaßlichen Kopf der Organisation vorzugehen.

Gegen den 38-jährigen einschlägig vorbestraften Hauptbeschuldigten ermittelten die Zollfahnder schon in der Vergangenheit wegen derselben Delikte. Bei den jetzigen aufwendig geführten Ermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft Bamberg und des Zolls stand der rege Informationsaustausch mit den US-amerikanischen Behörden sowie EUROPOL im Mittelpunkt. Zuletzt wurden die in Deutschland ergriffenen Maßnahmen um die Zusammenarbeit mit Spanien, England und den USA ergänzt, um den Handel mit illegalen Arzneimitteln zu stoppen.

An der Aktion am 13. Oktober 2020, die unter dem Arbeitsnamen "Hydra" geführt wurde, waren allein in Deutschland 100 Zollfahnderinnen und Zollfahnder, Staatsanwälte und IT-Spezialisten der Generalstaatsanwaltschaft Bamberg im Einsatz. Zum Eindringen in die Firmenräumlichkeiten war zudem die Spezialeinheit des Zollkriminalamts, die Zentrale Unterstützungsgruppe Zoll (ZUZ), im Einsatz. Damit konnte sichergestellt werden, dass es beim Zutritt in die Firma nicht zur unkontrollierten Vernichtung von digitalen Beweismitteln durch die Beschuldigten kam.

Die Ermittlungen wegen Verdachts des unerlaubten Handeltreibens mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, vorsätzlichem Inverkehrbringen von bedenklichen Arzneimitteln und des gewerbsmäßigen Schmuggels dauern an.

Weitere inhaltliche Auskünfte zu dem Ermittlungskomplex und insbesondere auch zu den im Ausland fortgeführten Verfahren können nicht erteilt werden, um die andauernden Ermittlungen nicht zu gefährden.

Zusatzinformation

Seit dem 1. Januar 2015 besteht bei der Generalstaatsanwaltschaft Bamberg die Zentralstelle Cybercrime Bayern. Diese Zentralstelle ist bayernweit zuständig für die Bearbeitung herausgehobener Ermittlungsverfahren im Bereich der Cyberkriminalität. Sie ermittelt in Zusammenarbeit mit den entsprechenden Spezialisten der Landes- und Bundespolizei, des Bundeskriminalamts, des Zollfahndungsdienstes und mit internationalen Partnern, zum Beispiel bei Angriffen auf bedeutende Wirtschaftszweige oder bei Verfahren aus dem Bereich der organisierten Cyberkriminalität.

Auch dann, wenn bei Verfahren der Allgemeinkriminalität ein hoher Ermittlungsaufwand im Bereich der Computer- und Informationstechnik abzuarbeiten ist, werden die Staatsanwälte der Zentralstelle tätig. Die bearbeiteten Fälle sind vielfältig. Sie reichen von Hackerangriffen über Fälle des Vorkassebetrugs im Internet, zum Beispiel durch professionelle sogenannte Fake-Shops, und Fälle von Ransomware bis hin zum Handel mit Waffen, Drogen und Falschgeld im Darknet. Zudem ist die Zentralstelle Cybercrime Bayern für herausgehobene Fälle der Wirtschaftscyberkriminalität zuständig.

Seit dem 1. Oktober 2020 besteht bei der Zentralstelle Cybercrime Bayern zudem das Zentrum zur Bekämpfung von Kinderpornografie und sexuellem Missbrauch im Internet. Derzeit sind 16 Staatsanwältinnen und Staatsanwälte und vier IT-Forensikerinnen und IT-Forensiker bei der Zentralstelle Cybercrime Bayern tätig.

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